3.2 Kapital, Habitus und das (Spiel-)Feld

Teaser

Fußball aus Sicht der sozialen Ungleichheit: Kapitalformen, Habitus und Feldkämpfe strukturieren, wer sich wo wie bewegen kann – körperlich, symbolisch, ökonomisch. Ich verknüpfe dazu Marx (Akkumulation & Ausbeutung), Eribon (Klasse und Verletzbarkeit), Bourdieu (Kapitalsorten/Habitus/Feld), Gramsci (Hegemonie & organische Intellektuelle) und Erik Olin Wright (realistische Alternativen, „Real Utopias“). Ziel: erklärende Kategorien, mit denen ich Stadion, Vereinspolitik und Fankulturen präzise analysieren kann.

Hinführung

„Kapital“ ist mehr als Geld: ökonomisches (Einkommen/Preise), kulturelles (Bildung/Stile), soziales (Netzwerke) und symbolisches Kapital (Anerkennung) übersetzen sich in Habitus – gelernte Dispositionen, die im (Spiel-)Feld Fußball passen oder anecken. Vereine und Verbände sind Felder mit eigenen Regeln; Fanräume sind Gegenfelder – teils in Opposition, teils in Koalition. Ich frage: Wer setzt die Spielregeln? Wer verfügt über welche Ressourcen? Wo gelingt Gegenmacht?

Marx – Akkumulation, Arbeit, Preislogiken

Was ich übernehme. Produktions- und Zirkulationslogiken: Preisstruktur (Tickets/Merch), Arbeitsverhältnisse (Sicherheit, Gastro), Kommodifizierung von Emotion.
Konsequenzen fürs Feld. Wenn Kostensteigerungen systematisch Ausgrenzung erzeugen, ist das kein Zufall, sondern Akkumulationslogik – relevant für Ticketpolitik, TV-Rechte, Spieltermine.

Eribon – Klasse, Verletzbarkeit, Aufstiegserzählungen

Was ich übernehme. Klassenerfahrungen prägen Sprache, Scham, Stolz – und damit Stadionpraktiken und Mediennutzung.
Konsequenzen. Inklusion scheitert oft kulturell (Codes, Ton, Räume), bevor sie ökonomisch scheitert. Eribon hilft, Affekt und Klasse zusammenzudenken (z. B. Ironie als Abwehr).

Bourdieu – Kapitalsorten, Habitus, Feldlogiken

Was ich übernehme. Vier Kapitalsorten, Habitus als verkörperte Geschichte, Felder mit spezifischem Einsatz („Stakes“).
Konsequenzen. Ultras, Familienblock, VIP – drei Feldpositionen mit unterschiedlichen Kapitälen; Konflikte um „echte“ Fankultur sind Kämpfe um symbolisches Kapital.

Gramsci – Hegemonie, Gegenmacht, organische Intellektuelle

Was ich übernehme. Hegemonie als Zustimmung plus Zwang, erzeugt in Alltagskultur; organische Intellektuelle moderieren Erfahrungen von unten.
Konsequenzen. Fanprojekte, Podcasterinnen, Blog-Admins als Vermittler; Choreo/Kommentarspalten als Orte, an denen Hegemonie reproduziert oder gebrochen wird.

Erik Olin Wright – Real Utopias, institutionelle Alternativen

Was ich übernehme. Nicht nur Kritik, sondern machbare Alternativen: Governance, Regeln, Teilhabeformate, die Ungleichheit mindern.
Konsequenzen. Ticket-Sozialtarife, Mitbestimmung, transparente Sponsoring-Codes: kleine institutionelle Hebel, die das Feld real verändern.

Vergleichsmatrix (Arbeitsbegriffe)

  • Ressourcen: Geld/Zeit vs. Netzwerk/Know-how vs. Anerkennung.
  • Regeln: offizielle (Verbandsrecht) vs. inoffizielle (Kurvencodes).
  • Übersetzer:innen: Capos, Fanprojekte, Community-Accounts (Broker zwischen Welten).
  • Outputs: Zugang (Sitz/Block/Preis), Stimme (Adressierung/Moderation), Schutz (Awareness/Regeln).

Mini-Vignetten (materialnah)

  • Ticketprotest: Ein klarer Preis-Frame („20 € sind genug“) bündelt Klasse × Affekt und gewinnt Verbündete jenseits der Kurve.
  • Sprachcodes: Genderinklusive, einfache Sprache in Vereins-FAQs erhöht Nutzbarkeit – kulturelles Kapital wird weniger zur Hürde.
  • Gegenmacht: Ein Fanbündnis erzwingt Transparenz bei Sponsorings; organische Intellektuelle (Podcasts/Blogs) liefern Argumente, die später in Vereinsstatements auftauchen.

Methodenfenster

Grounded Theory: offen → axial → selektiv. Codes: „Kapital-Tausch“, „Habitus-Passung“, „Feldregel“, „Brokerage“, „Hegemoniebruch“, „Real-Utopia-Hebel“. Kontraste: Heim/Auswärts, Kurve/VIP, Männer-/Frauenfußball, 1. Liga/Unterhaus. Negativfälle schärfen Kategorien (z. B. teure Blöcke mit hoher sozialer Durchlässigkeit).

Leitfragen

  • Welche Regeln und Hebel (Wright) senken faktisch Ungleichheit?
  • Wo kollidiert Habitus mit Feldregeln – und wie wird das gelöst (Bourdieu)?
  • Welche Erzählungen stabilisieren Zustimmung oder erzeugen Brüche (Gramsci)?
  • Wo wirkt Klasse als Affekt (Eribon) – Scham, Stolz, Wut – und wie reagieren Vereine?
  • Welche Akkumulationspunkte (Marx) treiben Exklusion – und wie lassen sie sich umlenken?

Literatur & Links (APA – nach Link-Policy, geprüft)


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