3.1 Resonanz und eröffnete Räume

Fußball ist ein Resonanzraum: Menschen stimmen sich aufeinander und auf die Welt ein – manchmal innig, manchmal schrill, manchmal gar nicht. Mich interessiert, wann und wie der Fußball „eröffnete Räume“ schafft, in denen sich diese Beziehung zur Welt verdichtet – und wo sie abbricht (Rosa 2016).

Hinführung

Mit Hartmut Rosa (2016) verstehe ich Resonanz als gelingende Weltbeziehung: ein antwortendes, nicht vollständig verfügbares In-Beziehung-Treten, das berührt und verwandelt (ebenda). Demgegenüber steht Entfremdung: stumme Welt, stumpfe Routinen. Fußball kippt zwischen beiden Polen: Choreo, Gesang, Blickkontakte, Care-Gesten können Resonanz anfachen – Ticketstress, Sicherheitsregime, zynische Kommunikation können sie abwürgen.

Was ich mit „eröffneten Räumen“ meine

  • Mikro (Körper & Augenblicke): Gesang, Rhythmus, Berührung, geteilte Blicke – kurze Resonanzfenster, in denen Fremde zu „Wir“ werden.
  • Meso (Stadion & Wege): Einlass, Wegeführung, Sichtlinien, Moderation, Awareness – Infrastruktur, die Resonanz ermöglicht oder verhindert.
  • Makro (Liga & Medien): Spielpläne, Verbandsregeln, Plattformlogiken – sie rahmen, wie oft und wie lange Resonanz tragfähig wird.

Drei Achsen der Resonanz im Fußball (arbeitsbegrifflich)

  • Sachen/Welt: Ball, Rasen, Trommeln, Fahnen – Dinge, die antworten (gelingen, scheitern, klingen).
  • Menschen: Mitspieler:innen, Gegenseite, Ordner:innen, Unbekannte – Ansprechbarkeit und Respekt entscheiden.
  • Selbst: Selbstwirksamkeit („Wir drehen das noch“), Scham („das war’s“), Stolz („das sind wir“) – Affekte, die binden oder brechen.

Praktiken, die Räume öffnen

  • Choreografie & Gesang: Verdichten Affekt zu gemeinsamer Stimme – wenn Sprache und Bilder inklusiv sind.
  • Care & Awareness: Zuhören, Begleiten, Deeskalieren – Resonanz als Sorgebeziehung.
  • Gute Vereinskommunikation: Klare Infos, nachvollziehbare Regeln, erkennbare Korrekturen – Vertrauen als Antwortfähigkeit.

Praktiken, die Räume schließen

  • Over-Policing & Ticketchaos: Stress frisst Ansprechbarkeit; die Welt wird „stumm“.
  • Token-Sichtbarkeit ohne Struktur: Pride-Post ohne Follow-up – Symbol spricht, Praxis schweigt.
  • Plattformzirkus: Empörung skaliert, Differenzierung versandet – Resonanz kippt in Lärm.

Mini-Vignetten (aus meinem Material)

  • Eine leise Durchsage („Wir sehen euch, meldet euch hier…“) wird erst durch die verlinkte FAQ und sichtbare Helfer:innen zu Resonanz – Betroffenheit wird Handlungsfähigkeit.
  • Gegentor – sofortiger Gesang: Der Block antwortet, Lautstärke nimmt Scham die Spitze und formt ein Wir-trotzdem.
  • Preisdebatte: Empörung kippt in Dialog, als der Verein Zahlen offenlegt, Kontingente erklärt und korrigiert.

Methodischer Zugriff

Grounded Theory: offen → axial → selektiv. Ich kodierte „Resonanzfenster“, „Affektunterbrechung“, „Antwortfähigkeit“, „Unverfügbarkeit“ und suche Negativfälle, in denen vermeintlich resonanzstarke Settings stumm bleiben (oder umgekehrt). Vergleich über Vereine, Ligen, Orte (Weg, Block, Online).

Leitfragen

  • Welche Infrastrukturen (Wege, Sprache, Moderation) eröffnen Resonanz – und für wen?
  • Wie lässt sich Antwortfähigkeit von Vereinen empirisch fassen (Korrekturen, FAQ, Erreichbarkeit)?
  • Wann werden Symbole Praxis (Care, Policy, Ressourcen) – und wann bloß Pose?
  • Wo hilft Humor/Ironie, wo zerschneidet er Resonanz?
  • Wie stabil sind Resonanzräume über Niederlagen, Krisen und Saisons hinweg?

Literatur & Links (APA – geprüft nach Link-Policy)


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