2.2.3.10 Weber: Zweckrationalisierung von Affekten

Teaser

Denke ich an Max Weber und meine eigenen Affekte gegenüber dem Fußball, denke ich an die Abkühlung: Emotionen verschwinden im Fußball nicht – sie werden in zweckrationale Strukturen (wie in dieses Projekt) gegossen, kalkuliert, organisiert, gerahmt (Weber 1922/1972). Genau hier liegt die Spannung zwischen Planung und Ekstase: Vereine, Verbände, Fanszenen kanalisieren Affekte – und erzählen sie danach rationalisiert weiter (Elias & Dunning 1986).

Hinführung

Für Weber ist rationales Handeln kein Gegensatz zum Affekt, sondern dessen Kanalisierung in „Zweckrationalität“: Mittel werden an klaren Zielen ausgerichtet, Routinen stabilisieren Erwartungen (Weber 1922/1972). In meinen Beobachtungen zeigt sich das überall: in Stadionordnungen, in Sicherheits- und Medienregimes, in Kennzahlen der „Fan Experience“. Moderne Fußballkulturen verdichten diese Prozesse – Kommerzialisierung und Governance prägen, wie wir fühlen (Giulianotti 2002; Kennedy & Kennedy 2012; Cleland 2015).

Zweckrationalität im Verein

Management & Kennzahlen. Leidenschaft wird zur KPI: Auslastung, Verweildauer, Merch-Umsätze. Die Erzählung der Gefühle wird datenförmig – und steuerbar (Weber 1922/1972; Kennedy & Kennedy 2012).
Regeln & Routinen. Spontaneität ist erlaubt, solange sie innerhalb formaler Verfahren bleibt: VAR-Protokolle, Sicherheitskonzepte, Medien-Slots – Affekte werden in Prozesse eingebettet (Weber 1922/1972).
Fanprojekte als Kanäle. Präventionsarbeit lenkt Wut, Stolz, Frust in Dialog- und Projektlogiken: Gespräch, Workshop, Kurve – Affekt wird zur Ressource, nicht zum Risiko (Elias & Dunning 1986).

Zweckrationalität auf den Rängen

Ultras und Ordnung der Ekstase. Hoch-affektive Praxis, aber streng geregelt: Capo-Hierarchien, Liedfolgen, Materiallisten, Pyro-Kodizes – „heiße“ Gefühle in „kalten“ Verfahren (Giulianotti 2002).
Selbstkontrolle als Zugehörigkeit. Wer dazugehören will, steuert seine Emotionen szenekonform; „zu viel“ wird sanktioniert – Scham als Regulator (Elias & Dunning 1986).

Spannungsfeld: Rationalität und Charisma

Weber bleibt dialektisch: Neben Zweckrationalität explodiert Charisma – der Wunder-Moment der 90.+, der „magische“ Aufstieg. Doch unmittelbar danach beginnt die rationale Nachbearbeitung: Narrative, Clips, Archive, KPIs. Affektblitze werden in die Ordnung zurückgeführt (Weber 1922/1972; Cleland 2015).

Forschungstagebuch (kurz)

Ich notiere nach einem Last-Minute-Tor: Ekstase im Block, 30 Sekunden Kontrollverlust – dann greifen Routinen: Capo ordnet den Chor, Ordner öffnen Sperren dosiert, Verein postet den Clip mit Sponsor-Tag. Für mich ist das ein Schulbeispiel zweckrationaler Affektsteuerung im Sinne Webers.

Leitfragen

  • Wie rationalisieren Vereine und Verbände spontane Affekte, um sie ökonomisch/organisatorisch nutzbar zu machen?
  • Welche Selbstkontrollformen prägen Fanszenen – und wie werden sie durch interne Regeln erzeugt?
  • Wo lassen zweckrationale Strukturen charismatische Ausbrüche zu – und wie werden diese anschließend gerahmt?
  • Welche Affekte entziehen sich der Zweckrationalisierung – und warum?
  • Welche Rolle spielt Webers Zweckrationalisierung mit Blick auf meine eigenen Affekte in diesem Projekt?

Literatur (APA)


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