5.3.3 FC Nürnberg Frauen – Sichtbarkeit, Genderrollen und Ressourcen

Ich wähle den FC Nürnberg (Frauen) als Fall, weil sich hier drei Fragen exemplarisch bündeln:

(1) Sichtbarkeit (Wer sieht uns wo?),

(2) Genderrollen (Wie werden Spielerinnen gerahmt?)

(3) Ressourcen (Welche Mittel, Räume und Strukturen stehen tatsächlich zur Verfügung?).

Meine Leitlinie: Ich bewerte nicht nur Ergebnisse auf dem Platz, sondern die symbolische Gleichwertigkeit im Club‑Ökosystem – vom Stadion bis zur Medienlogik (Bruce 2016; Fink 2015; Connell & Messerschmidt 2005).

Zum ersten Mal habe ich zwei Dauerkarten für die Frauen-Mannschaft in der Saison 2025/26. Ich teile sie mit der ganzen Familie. Die Spiele sind wohl für alle in der Familie aus unterschiedlichen Gründen interessant:
Spitzenplätze auf der Gegengerade, Ablenkung von, Kontrastierung zu den Männern, emanzipatorisches Interesse an der wachsenden Bedeutung des Frauenfußballs, Familien-Event,…

Einordnung des Falls

Seit 2025/26 treten die Club-Frauen wieder in der Bundesliga an und spielen ihre Heimpartien im Max‑Morlock‑Stadion. Das ist für mich mehr als eine Spielstätte: Auch wenn man (noch?) vor sehr vielen leeren Rängen spielt, ist es ein sichtbares Gleichwertigkeitssignal innerhalb des Vereins (1. FC Nürnberg 2025a; Stadt Nürnberg 2025). Zugleich greift die DFB‑Strategie FF27 systematisch die Steigerung von Sichtbarkeit und Teilhabe auf – ein relevanter Referenzrahmen für Vereinsentscheidungen bis 2027 (DFB 2021/2022).

Sichtbarkeit: Reichweiten, Räume, Routinen

Räume. Heimspiele im Max‑Morlock‑Stadion werten den Auftritt auf und öffnen große Kulissen – mit entsprechenden Chancen für Fan‑Rituale, Partneraktivierungen und Pressebilder (1. FC Nürnberg 2025a). Auftaktvergleiche zeigen, wie stark Sichtbarkeit in großen Arenen skaliert.: Das erste Spiel der Nürnberger Frauen gegen Union erreichte in Berlin eine Kulisse von 11.000 Zuschauer:innen– ein Indikator dafür, dass Nachfrage existiert, wenn Infrastruktur und Kommunikation stimmen (kicker 2025a). (Im Max-Morlock-Stadion ist die Auslastung des Stadions mit ca. 2.000 Zuschauer:innen noch ausbaubar.)

Medien. Die Google‑Pixel Frauen‑Bundesliga wird breiter ausgespielt (Free‑TV‑Fenster, vergleichswese günstiges PaTV Angebot, breit vergebene Highlight‑Rechte). Für mich heißt das: Sichtbarkeit ist planbar, wenn Anstoßzeiten, Plattformen und Vereinskommunikation zusammenspielen (DFB 2023). Begleitend entstehen datengetriebene Zugänge (Live‑Matchfacts), die Berichterstattung vereinheitlichen und professionalisieren (DFB 2025).

Alltag. Sichtbarkeit ist nicht nur „Top‑Event“. Ich schaue auf kontinuierliche Mikro‑Signale: Social‑Postings und Kommentare in Fanzines und Medien des Vereins, Präsenz im Medien‑Newsletter, Ticket‑Flows, Trikot‑Verfügbarkeit im Shop, Bildauswahl in Recaps (Bruce 2016; Fink 2015).

Genderrollen: Narrative, Frames, Bilder

Ich prüfe, welche Erzählungen dominieren: Leistung/Professionalität, Region/Tradition oder Care/„Herzblut“. Mit Connell denke ich Geschlechterordnung als praktisch hergestellte Hierarchie (Connell & Messerschmidt 2005). Die Medienforschung zeigt, dass Frauen oft entweder hyper‑professionell oder „sympathisch‑weiblich“ gerahmt werden – beides kann entwertende Nebenwirkungen haben, wenn es Leistung unsichtbar macht (Bruce 2016; Cooky, Messner & Musto 2015). Für die ClubFrauen frage ich deshalb:

  • Werden Spielerinnen primär über Leistung und Taktik beschrieben – oder über Fleiß, Teamgeist und „Dankbarkeit“? (Cooky et al. 2015; Fink 2015)
  • Tauchen Führung, Autorschaft, Expertise der Spielerinnen und Staff‑Frauen sichtbar auf? (Bruce 2016)
  • Wie wird Männlichkeit im Umfeld markiert (z. B. „echter Clubfußball“) und wie beeinflusst das die Deutung der Frauen? (Connell & Messerschmidt 2005)

Ressourcen: Infrastruktur, Personal, Budgetlogik

Infrastruktur. Der Club benennt öffentlich Investitionen in Trainings‑/Spielbedingungen und Kommunikation für Frauen‑ und Mädchenfußball. Das verankere ich als institutionelles Commitment – aber ich prüfe die konkrete Umsetzung: Trainingszeiten, Platzqualität, Medical/Analytics, Reiselogistik (1. FC Nürnberg 2025b).

Stadionnutzung. Heimspiele im Max‑Morlock‑Stadion deute ich als symbolisches Kapital und als Hebel für Erlöse (Hospitality, Sponsoring‑Aktivierungen) – sofern Pricing, Vermarktung und Timing greifen (1. FC Nürnberg 2025a).

Lizenz & Organisation. Die erteilte Bundesliga‑Lizenz ist ein formaler Marker. Für meine Analyse schaue ich daneben auf Arbeitsanteile (Vollzeit/Teilzeit im Staff), Role‑Mix (Athletik, Video, Scouting, Comms) und Pfadabhängigkeiten aus Zweitliga‑Strukturen (1. FC Nürnberg 2025a).

Analytisches Raster (Arbeitsstand)

  1. Sichtbarkeit: Stadiongröße & Belegung; Free‑TV/Streaming‑Slots; mediale Integration in Club‑Kanäle; Presse‑Pick‑ups.
  2. Genderrollen: Wort‑/Bild‑Frames; Expertinnen‑Stimmen; Anteil der Spielerinnen in club‑eigenen Formaten (Podcast/Video); Moderations‑/Kommentierungsstil.
  3. Ressourcen: Staff‑FTE; Facility‑Quality; Reisetage; Medizin/Analytics; Budget‑Proxy über Sponsoring‑Umfang; Jugendpfad (U17/U20) im Leistungsverbund.

Mini‑Fallhypothesen (für das Feld)

  • H1 Sichtbarkeit: Regelmäßige Spiele im Max‑Morlock‑Stadion erhöhen kurzfristig Reichweite und mittelfristig Sponsoring‑Interesse – sofern Kommunikations‑Taktung und Ticketing stimmen (DFB 2023; 1. FC Nürnberg 2025a).
  • H2 Genderrollen: Ein konsequent leistungsorientiertes Wording in Vereins‑ und Medienkanälen verschiebt die Wahrnehmung weg von „Dankbarkeits‑Frames“ hin zu Expertinnen‑Frames (Bruce 2016; Fink 2015).
  • H3 Ressourcen: Sichtbare Investitionen in Staff‑Professionalität (Athletik/Video/Medical) korrelieren mit Stabilität in der Liga – unabhängig von kurzfristigen Ergebnissen (Fink 2015; Breuer & Wicker 2018).

Ausblick: Was ich als Nächstes erhebe

Ich erfasse Indikatoren‑Zeitreihen (Stadionnutzung, TV‑Slots, Staff‑FTE, Jugendpfad), sichere Bild‑/Sprachproben aus Club‑/Medienkanälen, und trage Matchday‑Daten (Anstoßzeiten, Konkurrenz im Spielkalender) zusammen. Ziel ist ein belastbarer Sichtbarkeits‑/Ressourcen‑Index für die ClubFrauen, der mit sportlichen Kennzahlen trianguliert wird.

Literatur

FCN. (2025a). Clubfrauen 2025/26: Lizenz erhalten und zurück im MMS (News). https://www.fcn.de/news/artikel/clubfrauen-202526-lizenz-erhalten-und-zurueck-im-mms/

FCN. (2025b). Förderung Frauen im Fußball (Rot‑schwarze Elf, Nachhaltigkeit). https://www.fcn.de/der-club/nachhaltigkeit/rot-schwarze-elf/10-foerderung-frauen-im-fussball/

    Berliner Stadtverwaltung. (2025). Stadion‑Newsletter 09.09.2025: Clubfrauen spielen im Max‑Morlock‑Stadion. https://www.nuernberg.de/internet/stadion/newsletter/stadionareal_95754.html

    Breuer, C., & Wicker, P. (2018). Goals of sport organizations: A review of empirical research. Sport Management Review, 21(4), 547–563. Google Scholar

    Bruce, T. (2016). New rules for new times: Sportswomen and media representation in the third wave. Sex Roles, 74(7–8), 361–376. Google Scholar

    Connell, R. W., & Messerschmidt, J. W. (2005). Hegemonic masculinity: Rethinking the concept. Gender & Society, 19(6), 829–859. Google Scholar

    Cooky, C., Messner, M. A., & Musto, M. (2015). “It’s Dude Time!”: A quarter century of excluding women’s sports in televised news and highlight shows. Communication & Sport, 3(3), 261–287. Google Scholar

    Deutscher Fußball‑Bund (DFB). (2021/2022). Strategie Frauen im Fußball FF27>> (Broschüre). https://assets.dfb.de/uploads/000/263/554/original_DFB22_9655_FiF_2027_Layout_210623_mj.pdf

    Deutscher Fußball‑Bund (DFB). (2023). So läuft die Google Pixel Frauen‑Bundesliga künftig im TV. https://www.dfb.de/news/detail/so-laeuft-die-google-pixel-frauen-bundesliga-kuenftig-im-tv-244976

    Deutscher Fußball‑Bund (DFB). (2025). Matchfacts der Google Pixel Frauen‑Bundesliga live. https://www.dfb.de/news/google-pixel-frauen-bundesliga-matchfacts-live-auf-dfbde

    Fink, J. S. (2015). The effects of media on the formation of public policy: The media’s role in achieving gender equity in sport. Sport Management Review, 18(2), 220–229. Google Scholar

    Hargreaves, J. (1994). Sporting Females: Critical issues in the history and sociology of women’s sport. Routledge. genialokal

    kicker. (2025a). Zuschauer: 1. FC Union Berlin – Frauen‑Bundesliga 2025/26 (Matchstatistik Union vs. Nürnberg). https://www.kicker.de/frauen-bundesliga/1-fc-union-berlin-frauen/zuschauer


    Entdecke mehr von Fußball-Soziologie

    Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert