Liebe vs. Leiden: Erfolgsfans ↔ Liebeskranke Traditionalisten

Im Fußball verdichtet sich ein altes Paradox: Liebe zum Verein ist bedingungslos – doch sie nimmt unterschiedliche Formen an. Manche Fans suchen den Kick des Erfolgs, andere finden Identität gerade im Scheitern. Zwischen diesen Polen entfaltet sich ein Spannungsfeld, das zentrale Affektlogiken des Fußballs sichtbar macht.

Erfolgsfans – die Liebe im Zeichen des Gewinnens

Für Erfolgsfans ist die Zuneigung ergebnisorientiert. Siege bringen Euphorie, Titel soziales Prestige, Niederlagen dagegen sind Makel, die Loyalität ins Wanken bringen können. Diese Liebe ist instrumentell – sie gleicht einem Vertrag: Solange Erfolg da ist, lohnt sich die emotionale Investition.

  • Soziologisch: Baudrillard spricht von Simulacra – Erfolg als leeres Zeichen, das konsumierbar ist.
  • Psychologisch: Die Motivation folgt einer Kosten-Nutzen-Logik; Niederlagen sind „Investitionsverluste“.

Liebeskranke & Traditionalisten – Leiden als Treueschwur

Ganz anders die Liebeskranken oder leidenden Traditionalisten: Hier ist Leiden kein Defekt, sondern ein Ausweis echter Zugehörigkeit. Niederlagen werden nicht verdrängt, sondern inszeniert – als gemeinsames Ritual, als Teil des Habitus. Bourdieu würde sagen: Durchlittenes Leiden wird zu symbolischem Kapital, das Respekt innerhalb der Szene schafft.

  • Soziologisch: Elias deutet dies als kontrollierte Entgrenzung: Schmerz darf kollektiv performt werden, ohne die Ordnung zu sprengen.
  • Psychologisch: Leiden wird rationalisiert, humorvoll gerahmt oder in Trauerrituale überführt. Rosa spricht von Resonanz, die gerade in Krisen intensiviert wird.

Zwischen den Polen

Diese beiden Typen markieren die Extreme:

  • Erfolgsfans: Liebe als Konsumgut, gebunden an Siege und Titel.
  • Liebeskranke/Traditionalisten: Liebe als Opferbereitschaft, verankert im gemeinsamen Aushalten.

In der Praxis existieren viele Hybridformen: Fans, die sich dem Heimatverein treu verbunden fühlen – und zugleich einen globalen „Zweitklub“ wählen, um den Schmerz auszugleichen. Damit entstehen neue, komplexe Affektökonomien, die im Projekt weiter erforscht werden.


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