Freud: Das Stadion als „zivilisiertes Triebventil“
Sigmund Freud beschrieb in „Das Unbehagen in der Kultur“ (2010), wie moderne Gesellschaften Triebe wie Aggression, Sexualität oder Ekstase unterdrücken und in soziale Bahnen lenken. Fußballstadien sind solche zivilisierten Ausnahmeräume, in denen Triebe für kurze Zeit reguliert freigesetzt und ritualisiert werden dürfen.
Schreien, Weinen, Fluchen: Alles ist erlaubt, solange es im Rahmen des Stadions bleibt. Körperliche Nähe: Das Umarmen Fremder, springen, gemeinsames Singen, … wären außerhalb des Stadions in den meisten sozialen Situationen unangemessen.
Freud (ebenda) würde dies mit seinem Konzept der sublimierten Triebabfuhr in Verbindung bringen: Die Ekstase wird kontrolliert entfesselt und gleichzeitig in eine kollektive Erinnerungspraxis überführt.
Fußballstadien entwickelten sich in den letzten 100 Jahren von umzäunten Bolzplätzen mit Stehtribünen zu Hochsicherheitskomplexen mit Sitzplatzpflicht, Einlasskontrollen, Videoüberwachung,… zur externen Affektkontrolle. Doch in den Kurven und Geraden regt sich Widerstand. Kontrolle bringt Widerstand hervor. Freud würde dies als eine Rückkehr verdrängter Affekte deuten.
Jung: Fußball als Bühne für Archetypen
Carl Gustav Jung ergänzte Freuds Ansatz um das Konzept des „kollektiven Unbewussten: universelle Muster, die sich in Mythen, Träumen (von Titeln) und in der Welt des Fußballs wiederfinden. Fußball bietet eine Fülle solcher Archetypen:
- Der Held, der in der Nachspielzeit zum Sieg im Derby trifft.
- Der Sündenbock, der einen entscheidenden Elfmeter vergibt.
- Der Leibhaftige, der mit der FIFA den Fussball zerstört.
- …
Die Archetypen und das kollektive führen uns von der Psychoanalyse in Richtung Soziologie und zunächst Sozialpsychologie.
Literatur
Jung, C.G. (2018). Archetypen. Urbilder und Wirkkräfte des Unbewussten. Ostfildern. Patmos
Freud, S. (2010). Das Unbehagen in der Kultur. Ditzingen: Reklam

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