Grounded Theory Übung 8 – Meinen Theoriekern schriftlich fassen
in der S-Bahn, Mensa, Stadion,…
Zeitbedarf: 30–40 Min. Material: Ergebnisse aus Übung 1–7 (Codes, Kategorien, B-H-K, Typologie, Modell), Memos (analog/digital), Timer. Ziel: Ich sortiere meine Memos, destilliere 2–3 Claims (Kernaussagen) zu meiner Kernkategorie und schreibe ein Extended Abstract (250–300 Wörter) samt kurzer Abbildungserläuterung. So überführe ich meine Modellideen in einen prüfbaren Textentwurf (Glaser & Strauss 1967; Charmaz 2014; Corbin & Strauss 2015).
Schritt 1 – Memo-Inventur (4 Min.)
Ich liste alle relevanten Memos (Titel, Datum, 1 Stichwort) und markiere die, die direkt meine Kernkategorie betreffen. Doppelte/widersprüchliche Memos bleiben drin – sie sind wertvoll für die Argumentation.
Schritt 2 – Claims ableiten (6–8 Min.)
Ich formuliere 2–3 prägnante Claims im Wenn–dann–unter-Format und vermerke dahinter, ob es sich vor allem um Prozess-, Strategie- oder Kontext-Aussagen handelt. Beispiel: „Wenn Regelklarheit niedrig ist, dann entsteht Taktisches Schlangestehen, unter der Bedingung hoher Dichte (Prozess/Strategie).”
Schritt 3 – Evidenz-Mapping (8–10 Min.)
- Pro Claim wähle ich 2 Belegsegmente (Rohsatz aus Feldnotiz/Transkript) + 1 Negativfall.
- Ich ordne jedes Segment in die B-H-K-Logik ein (Bedingungen – Handlungen/Strategien – Konsequenzen).
- Ich notiere Scope Conditions (Geltungsbereich; z. B. „öffentlicher Raum“, „keine harten Sanktionen“).
Schritt 4 – Extended Abstract schreiben (10–12 Min.)
Ich schreibe 250–300 Wörter in vier Mikro-Abschnitten (je 2–3 Sätze):
- Problem & Zugang: Was ist das Phänomen? Warum GT? (Stichwort Sampling/konstantes Vergleichen)
- Kernkategorie & Claims: 2–3 Kernaussagen klar, knapp, mit B-H-K-Hinweisen
- Evidenz & Grenzen: je 1 Beleg + 1 Negativfall; Scope Conditions
- Implikationen: Was erklärt der Theoriekern – und was (noch) nicht?
Schritt 5 – Mini-Abbildung & Bildunterschrift (5 Min.)
Ich skizziere (handskizze/foto) ein einfaches Beziehungsdiagramm (Kernkategorie, 2–3 Pfeile zu Bedingungen/Konsequenzen). Dazu schreibe ich eine 40–50-Wort-Caption, die erklärt, was die Pfeile bedeuten (keine Deko).
Qualitative Dokumentation
- Liste der Memos (Titel, Datum) + Markierung der Kernmemos,
- 2–3 Claims (je mit B-H-K-Zuordnung, 2 Belege, 1 Negativfall, Scope Conditions),
- Extended Abstract (250–300 Wörter),
- Skizze + 40–50-Wort-Caption.
Fiktives Sprachmuster (heuristisch; wird empirisch geprüft)
„Ohne Durchsage entsteht durch Blicke-Synchronisieren eine stille Reihenordnung; bei plötzlich steigender Dichte kippt sie in kurze Konfliktspitzen und stabilisiert sich wieder, sobald ein lokaler ‚Ordnungsmultiplikator‘ (Blickkontakt + Handgesten) wirkt.”
Forschungstagebuch
Ich notiere 3–4 Sätze: Wo habe ich aus Sympathie für eine Erklärung gegen widersprechende Daten entschieden? Welcher Negativfall zwingt mich, den Claim zu präzisieren? Was brauche ich als Nächstes (Daten, Szene, Gespräch), um die Aussage zu riskieren?
Leitfragen
- Ist jeder Claim mit mindestens einem Negativfall konfrontiert worden?
- Erklärt meine Kernkategorie auch Variation – oder nur den Lieblingsfall?
- Sind Scope Conditions so formuliert, dass sie im Feld prüfbar sind?
- Welche 3 Sätze würden bleiben, wenn ich das Abstract auf 120 Wörter kürzen müsste?
Literatur & Links (APA)
- Charmaz, K. (2014). Constructing grounded theory (2nd ed.). Sage. Constructing grounded theory
- Corbin, J., & Strauss, A. (2015). Basics of qualitative research: Techniques and procedures for developing grounded theory (4th ed.). Sage. Basics of qualitative research
- Glaser, B. G., & Strauss, A. L. (1967). The discovery of grounded theory: Strategies for qualitative research. Aldine. The discovery of grounded theory: Strategies for qualitative research


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