Fußball-Soziologie

(M)eine Einführung in die Soziologie des Fußballs

4.5.3 FC Bologna – Ultras, Politik & Inklusion/Exklusion von Frauen/LGBT

„Rossoblù“ zwischen Kurvenpolitik und Stadtgesellschaft

Die Universitätsstadt Bologna ist ein dichter Knoten von Fußballkultur, linker Stadterzählung und Kurvenpraktiken. In der Curva Andrea Costa (heute Nord, Dall’Ara) werden Zugehörigkeit, Stil und Politik fortlaufend verhandelt – von der Bannerpolitik bis zur Frage, wer sprechen, singen, führen darf. Im Juli 2024 hat die Kurve z. B. ihre Striscioni-Regeln für Auswärtsfahrten vereinheitlicht („nur zwei Banner“); solche „Meta-Entscheidungen“ sind nicht banal, sondern strukturieren Sichtbarkeit, Repräsentation und Konfliktprävention in der Kurve. (vgl. Curva-Kommuniqué). (Bologna Sport News)

Ultras-Genealogie in Bologna: Codes, Stile, Linien

Historisch reichen die organisierten Gruppen bis in die 1970er (u. a. Commandos, Brigate Rossoblù, später Forever Ultras ’74, Mods, Vecchia Guardia). Diese Geschichte ist kein lineares „Linke Kurve = linke Politik“ – vielmehr zeigen Vereinschroniken und Fanpublizistik eine heterogene Gemengelage aus lokalen Konflikten, Stilinspirationen und wechselnden Allianzen. (Überblicksdarstellungen und Fan-Essays liefern hier einen ersten Raster; Details müssen im Feld verifiziert werden.) (Wikipedia)

Politik in der Kurve: Heterogen, situativ, aushandelbar

Italienweit stehen Ultras zwischen Selbstverwaltung der Kurve, Kommerzialisierungsdruck und Sicherheitsregimen. Bologna ist keine Ausnahme: Politische Marker (Antifaschismus, Antirassismus) sind präsent, aber nicht monolithisch – sie werden „situativ“ aktiviert (Derby, Choreo-Anlässe, externe Ereignisse). Gleichzeitig formt das nationale Umfeld (Rassismus-, Homophobie-Debatten, Sicherheitsdiskurse) die Grenzziehungen in den Kurven mit. (The Guardian)

Frauen in den Kurven: Präsenz, Praxis, Positionskämpfe

Empirische Arbeiten zu italienischen Ultra-Gruppen mit Frauen zeigen ein ambivalentes Bild: Frauen sind sichtbar beteiligt (Capo-Teams, Trommeln, Logistik, Choreobau), zugleich werden Unterschiede häufig mit „natürlichen“ Fähigkeitszuschreibungen legitimiert – was Glasdecken bei Statusrollen reproduzieren kann (Capo-Mikro, Entscheiderkreise). Für Bologna plane ich deshalb: (1) Rollen-Mapping (wer macht was?), (2) Gatekeeping-Indikatoren (Sprachcodes, Insiderwissen) und (3) Willkommenspraktiken (Jugend-/Frauenblöcke, Mentoring). (vgl. Pitti 2018). (ResearchGate)

LGBT-Inklusion vs. Heteronormativität: Stand der Dinge

Italienischer Profifußball bleibt heteronormativ geprägt; offen geoutete Profis fehlen nach wie vor, während einzelne prominente Stimmen jüngst die Kultur der Abwertung problematisieren. Zivilgesellschaftliche Akteure (z. B. Arcigay, Fare network) setzen Kampagnen, bilden Netzwerke und dokumentieren Diskriminierung. Für Bologna heißt das: Inklusion entsteht weniger durch Deklarationen als durch alltägliche Mikropraktiken (Sprache in Chants, Reaktionen auf homofeindliche Sprüche, sichtbare Schutzbündnisse in Problemsektoren). (OutSports)

Mein analytischer Zugriff (Grounded Theory)

  • Mögliche Datenquellen: Stadionvignetten, Kurz-Interviews (Kurve/Capo-Team/Ordner), Vereinskommunikation, Fanmedien, städtische Presse.
  • Kodieren: Rollen-Zuschreibungen, Banner-Governance, DIY-Distinktion, Willkommenspraktiken, Anti-Diskriminierungs-Episoden.
  • Vergleiche: Heim/Auswärts; Spielphasen; gemischte vs. „härtere“ Sektoren; Reaktionen auf homophobe/sexistische Vorfälle.
  • Ethik: Einverständnisse, Anonymisierung, Kontextwiedergabe; sensiblen Fällen (Outings, Übergriffe) begegne ich mit „do no harm“.

Mini-Vignetten (heuristisch, zu verifizieren)

  • „Zwei Banner reichen – sonst redet jeder und niemand.“ (Capo-Logik zu Sichtbarkeit und Konflikten, Anknüpfung an das 2024er Kurven-Kommuniqué). (Bologna Sport News)
  • „Ich steh’ seit Jahren am Trommelpodest; das Mikro geb’ ich ab, wenn der Ton kippt.“ (Rollenflexibilität einer Ultra-Aktiven; Kategorie Willkommenspraktik).
  • „‚Frocio‘ ist kein Witz, das ist ne Grenze.“ (Ad-hoc-Intervention gegen homophobe Zwischenrufe; Mikro-Sanktion statt Grundsatzdebatte).

Was ich im Feld konkret prüfen will

  1. Banner-Governance & Repräsentation: Wer entscheidet, welche Stimmen/Anliegen nach außen sichtbar sind? (Kommuniqué → Praxis) (Bologna Sport News)
  2. Statusrollen von Frauen: Welche de-facto Aufstiegswege ins Capo-Team oder in Orga-Kerne existieren? (vgl. Pitti). (ResearchGate)
  3. LGBT-Mikropraktiken: Wie wird im Moment der Grenzverletzung eingegriffen – und von wem? (Arcigay/Fare-Ressourcen als Bezugsrahmen). (Arcigay.it)

Literatur & Links (APA)

(Links geprüft nach Projekt-Policy: Verlag → verlässliche Plattform/Archiv → wissenschaftliche Datenbank.)

Entdecke mehr von Fußball-Soziologie

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert