Typenbildung & Geltungsbereich

Symbolbild

Grounded Theory Übung 7 – mit Conditional Matrix und Scope Conditions

in der S-Bahn, Mensa, Stadion,…

Zeitbedarf: 30–40 Min. Material: Ergebnisse aus Übung 1–6 (Codes, Kategorien, B-H-K, Mini-Theorie, Modell), Notizbuch oder Whiteboard, Timer. Ziel: Ich verdichte mein Modell zu einer Typologie (2–4 Typen), formuliere Scope Conditions (Geltungsbedingungen) und prüfe, ob meine Theorie unter Variation modifizierbar bleibt (Glaser & Strauss 1967; Glaser 1978, 1992; Strauss 1987; Charmaz 2014).

Schritt 1 – Zwei Leitdimensionen fixieren (5 Min.)

Aus meinen Eigenschaften/Ebenen (Übung 2–5) wähle ich die zwei erklärungsstärksten Kontrastdimensionen (z. B. Regelklarheit niedrig↔hoch und Dichte gering↔hoch). Ich notiere, warum genau diese Dimensionen theoretisch tragfähig sind (Memos, Belegstellen).

Schritt 2 – Conditional Matrix skizzieren (7 Min.)

Ich zeichne ein 2×2-Raster und fülle die vier Felder mit kurzen Beschreibungen, wie sich meine Kernkategorie unter den jeweiligen Bedingungen zeigt (Strauss 1987; Corbin & Strauss 2015). Ich nutze die B-H-K-Logik: Welche Bedingungen dominieren, welche Handlungsstrategien treten auf, welche Konsequenzen folgen?

  • niedrige Regelklarheit × hohe Dichte → „Taktisches Schlangestehen“ (stille Aushandlung, Blickkoordination).
  • hohe Regelklarheit × hohe Dichte → formelle Ordnung mit sporadischen Regelbrüchen.
  • niedrige Regelklarheit × geringe Dichte → lockeres Selbstorganisieren, geringe Affektbindung.
  • hohe Regelklarheit × geringe Dichte → routinisierte, oft individualisierte Abläufe.

Schritt 3 – Typenbildung (8–10 Min.)

Ich bündele die Felder zu 2–4 Typen (je ein prägnanter Arbeitsname + 2–3 Eigenschaften). Ich achte darauf, dass jeder Typ intern stimmig und extern kontrastreich ist. Anschließend formuliere ich pro Typ einen theoretischen Satz im Wenn–dann–unter-Format und verweise auf Belegstellen (Segment-IDs, Zitate aus meinen Feldnotizen).

Schritt 4 – Scope Conditions & Modifiability (6–8 Min.)

Ich grenze den Geltungsbereich meiner Typologie: Für welche Situationen/Felder gilt sie, wo nicht? Ich notiere 2–3 Scope Conditions (z. B. „öffentlicher Raum“, „keine harten Sanktionsanreize“, „temporäre Koordination“). Danach prüfe ich Modifiability (Glaser 1992): Wo und wie müsste ich meine Typen anpassen, wenn neue Daten auftauchen?

Schritt 5 – Negativfälle & Umkipppunkte (5 Min.)

Ich wähle gezielt zwei Negativ-/Randfälle (aus Übung 3, 6) und vermerke die Umkipppunkte (Trigger), an denen mein Typ in einen anderen übergeht (z. B. „Durchsage“, „Sicherheitsintervention“, „plötzlicher Affektimpuls“). Daraus entsteht eine kurze Transitionslogik zwischen den Typen.

Schritt 6 – Typologie-Memo (5 Min.)

Ich schreibe ein 8–10-Satz-Memo: Warum diese Dimensionen? Wodurch unterscheiden sich die Typen? Welche Übergänge sind wahrscheinlich? Was wäre eine klare Widerlegung?

Qualitative Dokumentation

  • 2×2-Conditional-Matrix (Foto oder Skizze),
  • 2–4 Typen (Arbeitsnamen, 2–3 Eigenschaften, je 1 theoretischer Satz + Belegstellen),
  • 3 Scope Conditions,
  • Liste von 2 Negativfällen + je 1 Umkipppunkt,
  • Typologie-Memo (8–10 Sätze).

Fiktives Sprachmuster (heuristisch; wird empirisch geprüft)

„Wenn die Anzeige ausfällt (Regelklarheit↓) und der Bahnsteig voll ist (Dichte↑), entsteht Taktisches Schlangestehen. Kommt eine klare Durchsage (Trigger), kippt der Typ in Formalisierte Ordnung; spontane Blickkoordination nimmt ab, Sanktionen übernehmen.“

Forschungstagebuch

Ich reflektiere in 3–4 Sätzen: Welcher Typ ist mir „sympathisch“ – und warum? Wo hat meine Vorliebe die Grenzziehung beeinflusst? Welche Szene sammle ich als Nächstes, um einen Umkipppunkt gezielt zu beobachten?

Leitfragen für die Selbstreflexion

  • Erklären meine Typen Variation (innerhalb/between cases) – oder nur Idealbilder?
  • Welche Belege stützen die gewählten Dimensionen als „Leitachsen“ der Erklärung?
  • Wie formuliere ich Scope Conditions so, dass sie prüfbar sind?
  • Welche neuen Daten würden meine Typologie modifizieren – nicht zerstören?

Literatur

  • Charmaz, K. (2014). Constructing grounded theory (2nd ed.). Sage.
    Constructing grounded theory. (Sage College Publishing)
  • Corbin, J., & Strauss, A. (2015). Basics of qualitative research (4th ed.). Sage.
    Basics of qualitative research. (Sage Publications)
  • Glaser, B. G. (1978). Theoretical sensitivity. Sociology Press.
    Theoretical sensitivity: Advances in the methodology of Grounded Theory. (Sociology Press)
  • Glaser, B. G. (1992). Basics of grounded theory analysis: Emergence vs. forcing. Sociology Press.
    Basics of grounded theory analysis: Emergence vs. forcing. (Sociology Press)
  • Glaser, B. G., & Strauss, A. L. (1967). The discovery of grounded theory. Aldine.
    The discovery of grounded theory: Strategies for qualitative research. (Taylor & Francis)
  • Strauss, A. L. (1987). Qualitative analysis for social scientists. Cambridge University Press.
    Qualitative analysis for social scientists. (Cambridge University Press & Assessment)

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