5.5.1 IFK Göteborg – Gendergleichheit & soziale Gleichheit in Skandinavien

Teaser

Die Fankultur um den IFK Göteborg scheint von skandinavischen Gleichheitsnormen geprägt: Hohe Erwartungen an Fairness, niedrige Toleranz für Diskriminierung, starke Alltagspraktiken der Inklusion – und zugleich ambivalente Effekte der Kommerzialisierung. Mich interessiert, wie sich Gendergleichheit und soziale Gleichheit im Stadionalltag materialisieren und welche Affekte Zugehörigkeit, Konflikt und Grenzen strukturieren (Esping-Andersen 1990; Rothstein 2005).

Hinführung

Mein Ausgangspunkt: In Schweden sind Gleichheitsansprüche nicht bloß politische Parolen, sondern kulturelle Hintergrundannahmen. Im Fußball bedeuten sie: andere Erwartungen an Sicherheit, Sprache, Zugänge – von Familienblöcken bis Awareness-Praxen. Ich prüfe, wie IFK Göteborg diese Normen übersetzt: in Choreos, Kurvenrituale, Kommunikationscodes, Ticketpolitik und Community-Arbeit. Theoretisch rahme ich das mit Wohlfahrtsregimetheorie (Esping-Andersen 1990), Vertrauensforschung (Rothstein 2005) und Genderordnung (Hirdman 1990), ergänzt um Affekt/Resonanz (Rosa 2016) und Gegenöffentlichkeit (Fraser 1990) für konflikthafte Teilräume.

Gleichheit als Affektökonomie

  • Fairness als Gefühl: „Gerechtigkeit“ wird gefühlt – als Stolz, Ärger, Scham. Entscheidungen von Schiedsrichter:innen, Clubpolitik oder Fanverhalten werden moralisch bewertet; daraus entstehen Bindungen („so sind wir“) und Grenzen („so nicht“).
  • Resonanz statt Dominanz: Teilhabe- und Sicherheitspraktiken (inklusive Ansprache, niedrigschwellige Meldestrukturen) erhöhen Ansprechbarkeit – Fans erleben sich als gesehen und ernst genommen (Rosa 2016).
  • Ironie & Selbstdisziplin: Humor zügelt Überhitzung, ohne Konflikte zu kaschieren; ich teste, wann Ironie integriert und wann sie entwertet (Simmel 1992).

Gendergleichheit in der Praxis

  • Sichtbarkeit & Sprache: genderinklusive Ansprache, Pride-/Gleichheitssymbole, Vorbildfiguren im Vereinsumfeld; ich prüfe, wie häufig und wie wirksam diese Praktiken im Stadionalltag auftauchen.
  • Zugänge & Sicherheit: Familien-/Ruhebereiche, Codices gegen Sexismus/Homofeindlichkeit, Meldewege – entscheidend ist, ob sie bekannt und niedrigschwellig sind.
  • Rollen im Wandel: Männlich konnotierte Habitusformen (Härte, Durchhalten) werden irritiert; Care (Sorge um andere, „aufschauen statt anbrüllen“) wird sichtbar – nicht konfliktfrei, aber stabilisierend.

Soziale Gleichheit & Stadtgesellschaft

IFK Göteborg steht im Gefüge einer verhältnismäßig egalitären Stadtgesellschaft: Vereinsarbeit, Schulen, Quartiere, Amateurclubs, Kultur. Diese Verflechtungen erzeugen breite Kontaktzonen – aber auch Reibungen, wenn ökonomische Zwänge oder sportliche Krisen die Gleichheitsnormen unter Druck setzen (Fraser 1990).

Ambivalenzen

  • Marke vs. Moral: „Gleichheit“ lässt sich vermarkten – kippt Haltung in Marketing, sinkt Resonanz.
  • Gatekeeping durch Codes: Wer die „richtige“ Sprache/Zeichen nicht teilt, fühlt sich schnell falsch – auch Gleichheitskulturen können ausschließen.
  • Leistung vs. Teilhabe: Sportliche Ziele und wirtschaftlicher Druck konkurrieren mit Inklusionsansprüchen; ich suche Negativfälle, in denen Teilhabe erodiert.

Methodenfenster: Material & Kodierung

  • Material: Spielanalysen (Heim/Auswärts), Presseschau (lokal/national), leitfadengestützte Interviews (Ultras, aktive Fans, Familienblöcke, queere Gruppen, Vereinsumfeld), Fanzines, Social Media.
  • Sampling: maximal kontrastierend; Nachsteuerung nach jeder Kodierwelle (Charmaz 2014).
  • Kodierung: offen → axial → selektiv; Memos zu „Fairnessaffekt“, „Care-Praktiken“, „Marketingbruch“, „Resonanzfenster“.
  • Qualität: Audit-Trail, Negativfall-Suche, Theorie-Mapping (Wohlfahrtsstaat/Gender/Resonanz/Gegenöffentlichkeit).

Forschungstagebuch

Heute habe ich eine Bildserie aus dem Familienblock mit Interviews aus der aktiven Fanszene verglichen. Offen tauchten „Fairnessstolz“ und „Care-Blicke“ auf; axial verknüpfte ich sie mit „Meldewegen“ und „Humor als Deeskalation“. Ein Interview irritiert: „Gleichheit klingt gut, aber im Block zählt Lautstärke.“ Das wird mein erster Negativfall zur These, dass Inklusion automatisch Bindung vertieft. Nächster Schritt: Kontrastfall Auswärtsfahrt plus Social-Media-Thread zum selben Spieltag.

Leitfragen

  • Wann erzeugen Gleichheitsnormen Resonanz – und wann wirken sie wie Pflichtübung?
  • Welche Praktiken (Sprache, Symbole, Meldewege) sind im Stadionalltag tatsächlich wirksam?
  • Wo schiebt Kommerzialisierung Gleichheit in die PR-Schiene – mit welchem Effekt auf Bindung?
  • Wie verändert Humor/Ironie die Balance zwischen Lautstärke, Sichtbarkeit und Sicherheit?
  • Welche Negativfälle relativieren die Annahme, dass Gleichheit immer Zugehörigkeit stärkt?

Literatur & Links (APA


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