3.3.2 Exklusion von Frauen, Arbeiter:innen, Migrant:innen, queeren und anderen Minderheiten

Teaser

Fußball ist ein öffentlicher Resonanzraum, in dem soziale Ungleichheiten sichtbar und (re-)produziert werden. Öffentlichkeit ist nie neutral – sie ist strukturiert durch Geschlecht, Klasse, Herkunft und Sexualität (Crenshaw 1991). Wer bekommt Raum, gehört zu werden, und wer bleibt am Rand?

Hinführung

In der Geschichte der bürgerlichen Öffentlichkeit waren Frauen und Arbeiter:innen formal einbezogen, aber materiell ausgeschlossen – durch Bildungszugang, Sprache, Zeit und Kapital (Bourdieu 1992). Diese Mechanismen finden sich im Fußball wieder: Gatekeeping in Fankulturen, ökonomische Zugangshürden (Ticketpreise, Reisen), prekäre Arbeitsverhältnisse rund um Stadion- und Vereinslogistik.

Öffentlichkeit im Fußball wird so zu einem Gefüge aus Inklusion und Exklusion, in dem normative Gleichheitsideale auf alltagspraktische Barrieren treffen. Intersektionale Perspektiven (Crenshaw 1991; Collins 2019) zeigen, wie Mehrfachzugehörigkeiten – etwa migrantisch und weiblich und queer – spezifische Verwundbarkeiten erzeugen.

Stadion, Fankurve, Verein: drei Szenen sozialer Ungleichheit

1. Stadion: Sichtbarkeit hängt von Sitzplatz, Preis, Zugang und Sicherheit ab. Körperliche Präsenz ist ungleich verteilt; Fans mit Behinderung oder Care-Verpflichtungen erleben andere Barrieren als Ultras.

2. Fankurve: Gruppenzugehörigkeit bietet Schutz, aber auch Normdruck. Codes, Humor, Sprachstil und Kleidung können ausschließen; insbesondere Frauen und queere Fans berichten von ironisch kaschierter Abwertung.

3. Vereinskommunikation: Auch kommunikative Teilhabe ist ungleich verteilt. Sprache, Design, Kanäle – vieles richtet sich an eine implizit männliche, heteronormative, deutschsprachige Mehrheit.

Diasporische Zugehörigkeit und hybride Identitäten

Mit Brah (1996) und Cohen (1997/2018) verstehe ich Diaspora nicht nur als Herkunft, sondern als soziale Praxis: Fans, die zwischen Orten leben, navigieren doppelte Loyalitäten. In migrantischen Communities wird Fußball zu einem Medium kollektiver Selbstbehauptung – aber auch zur Bühne neuer Spannungen zwischen nationaler und transnationaler Zugehörigkeit.

Ich beobachte, wie diaspora-sensible Fanräume (z. B. kurdische, türkische, lateinamerikanische Fangruppen) eigene Öffentlichkeiten schaffen, in denen Emotion, Herkunft und Solidarität zusammenfallen. Diese Räume sind zugleich prekär – sie werden schnell als „politisch“ markiert und aus dem Mainstream verdrängt.

Queer-feministische und intersektionale Brüche

Queere Fans, Frauen und nicht-binäre Personen nutzen soziale Medien, Awareness-Teams und eigene Fanclubs, um Gegenöffentlichkeiten zu schaffen. Ihre Präsenz irritiert hegemoniale Männlichkeitsnormen (Connell & Messerschmidt 2005) und erweitert den Resonanzraum des Fußballs. Gleichzeitig zeigt sich, dass Gleichstellung in vielen Vereinen zwar angestrebt wird, aber affektiv kaum verankert ist – Pride-Posts ohne Follow-up erzeugen moralische Leere statt Inklusion.

Forschungspraktische Umsetzung

Ich kodiere Szenen, Interviews und Medienbeiträge mit Fokus auf Ausschlussroutinen:

  • Symbolisch: Sprache, Humor, Ironie, Bilder.
  • Materiell: Geld, Zeit, Sicherheit, Mobilität.
  • Kulturell: Habitus, Werte, Zugehörigkeitsnormen.

Negativfälle – also Momente gelingender Inklusion – prüfe ich gesondert: Wann werden Gatekeeping-Mechanismen sichtbar, unterbrochen oder neu ausgehandelt?

Leitfragen

  • Wer spricht, wer wird adressiert, wer fehlt?
  • Welche Routinen (Ticketing, Kurvencodes, Moderation) erzeugen Ausschluss?
  • Wie verändern intersektionale Perspektiven die Analyse von Fankultur?
  • Wann wird „Inklusion“ performativ, wann praktisch?
  • Wie wirken diasporische und queer-feministische Öffentlichkeiten auf den Mainstream zurück?

Literatur & Links (APA – geprüft nach Link-Policy)


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