2.5 Ebenen Der Affektkontrolle

Teaser

Ich führe die Ebenen der Affektkontrolle ein: Mikro (Selbst‑/Gruppenregulation), Meso (Vereins‑/Verbandsregeln) und Makro (Politik, Ökonomie, Recht). „Kontrolle statt Gefühl?“ oder „Gefühl durch soziale Rahmung?“. Wo Regeln, Rituale, Räume und Rhythmen zusammenspielen, entsteht regulierte Resonanz (Elias & Dunning 1986; Rosa 2016)…

…oder Momente der Überwachung und Bestrafung (Foucault 1975)?

Hinführung: Warum Ebenen – und warum jetzt?

Affekte im Fußball sind verkörpert (Körper, Stimme), koordiniert (Choreos, Signale) und institutionell gerahmt (Ordnungen, Gesetze). Ein singulärer Blick reicht nicht. Klassiker und moderne Sozialwissenschaft spielen hier gleichermaßen eine wichtige Rolle im Projekt:

  • Klassiker liefern robuste Begriffe: z.B. Interaktionsordnung (Goffman 1967), kontrollierte Entgrenzung (Elias & Dunning 1986), Disziplin/Dispositive (Foucault 1975), Legitimität (Weber 1922), Systemkopplungen (Luhmann 1984).
  • Moderne Arbeiten zeigen neue Spannungen: z.B. Emotionspolitik (Ahmed 2004), Affect as practice (Wetherell 2012), emotionaler Kapitalismus (Illouz 2007), VAR‑Ungewissheit (Scelles et al. 2021), Stadion‑/Fanszenen im 21. Jh. (Cleland 2015; Hughson et al. 2016), Resonanz (Rosa 2016).

These: Affektkontrolle ist erfolgreich, wenn Mikro‑Selbsttechniken, Meso‑Szeneregeln und Makro‑Regime anschlussfähig sind – also je Ebene genug Spielraum gibt, die andere nicht zu überfahren (Goffman 1967; Elias & Dunning 1986; Rosa 2016). Umgekehrt gilt es auch „Störungen“ und „Dissonanzen in der Ordnung des Spiels zu betrachten.

Drei idealtypische soziale Ebenen im Fußball

Mikro (Selbst‑ und Gruppenregulation)

Atem, Blick, Geste; Call‑and‑Response; Pausen/„Schals hoch“ – Drosselventile und Zündfunken des Affekts. Hier arbeiten I/Me, Routinen und Peer‑Hinweise („Keine Pfiffe“). Wirksam, wenn sie würdevoll sind, nicht beschämend (Goffman 1967; Mead 1934).

Meso (Vereins‑/Verbandsregeln; Szenelogiken)

Capo‑Zeichen, Fankodizes, Hausrecht; Stadionordnungen, Ticketing, Spielansetzung. Hier wird Konflikt organisiert (Dahrendorf 1959) und Affekt kanalisiert (Elias & Dunning 1986). Wirksam, wenn Verfahren legitim erscheinen (Weber 1922) und mit der Interaktionsordnung kompatibel sind (Goffman 1967).

Makro (Politik, Ökonomie, Recht)

Sicherheitsgesetze, Überwachung, Vermarktung, Arbeits‑ und Verbandsrecht. Diese Ebene setzt Grenzen und Anreize – von personalisierten Tickets bis Medienregie. Wirksam, wenn sie Risiken mindert, ohne Resonanz zu ersticken(?) (Foucault 1975; Beck 1986; Rosa 2016).

Die 4R‑Heuristik als Brücke

Die 4R über die Ebenen:

  • Regeln (informell ↔ formal ↔ gesetzlich),
  • Rituale (gewachsen ↔ kuratiert ↔ inszeniert),
  • Räume (Stehblock/Kneipe ↔ Zonen/Stadion ↔ Stadt/Medien),
  • Rhythmen (T‑5/T/T+5 ↔ Spielplan/Einlass ↔ Saisonstruktur/TV‑Slots).
    So lassen sich Affektketten (Impuls → Aufladung → Rahmung → Folge) pro Ebene nachzeichnen – und Kippmomente erkennen (Elias & Dunning 1986; Goffman 1967; Rosa 2016).

Klassiker × Moderne

  • Legitimität × VAR: Weber hilft, Anerkennung von Entscheidungen zu fassen; Studien zu VAR zeigen, wie Warte‑/Deutungsunsicherheit Akzeptanz senkt – Mikro muss stützen (Stille), Meso erklären (Anzeige/Text), Makro Verfahren klären (Weber 1922; Scelles et al. 2021).
  • Disziplin × Emotionspolitik: Foucaults Dispositive ordnen Körper; Ahmed zeigt, wie Gefühle politisch verteilt werden – wer Nähe beanspruchen darf. Gute Praxis koppelt Ordnung an Inklusion (Foucault 1975; Ahmed 2004).
  • Entgrenzung × Resonanz: Elias/Dunning erklären, warum Eskalation gerahmt sein muss; Rosa präzisiert, wann Regeln tragen, statt zu ermüden (Elias & Dunning 1986; Rosa 2016).
  • Systeme × Praxis: Luhmann/Parsons ordnen Funktionszusammenhänge; Wetherell/Illouz holen Gefühl in die Praxis/Ökonomie zurück. Beide Perspektiven zusammen verhindern Reduktionismus (Luhmann 1984; Parsons 1951; Wetherell 2012; Illouz 2007).

Operationalisierung

  • Marker je Ebene:
    • Mikro: Atem/Stillen, Gesten, Peer‑Signale.
    • Meso: Capo‑Call, Hausregeln, Einlass‑/Ticketflüsse.
    • Makro: Sicherheits‑/Medien‑Eingriffe, Preis/Anstoßzeit.
  • Messpunkte: Legitimitätsmarker (Erklärung, Konsistenz, Dauer), Affektmarker (Stille, Chor, Ironie), Zugangsmarker (Preis, Platz, Personalierung).
  • Werkzeuge: Zeitmarker‑Protokolle (T‑5/T/T+5), 4R‑Mapping, Sequenzanalysen (90‑Sekunden‑Ausschnitte), Interview‑Leitfäden zu Regeln/Erleben (Hughson et al. 2016; Cleland 2015).

Leitfragen

  • Wie verzahnen sich Mikro‑, Meso‑ und Makro‑Eingriffe, ohne Resonanz zu brechen (Rosa 2016)?
  • Welche Legitimitätsstrategien senken Reaktanz bei VAR/Sicherheit/Preisen (Weber 1922; Scelles et al. 2021)?
  • Wo kippt Disziplin in Demütigung und Ausgrenzung – und welche Gegenpraktiken stabilisieren Würde (Foucault 1975; Goffman 1967)?
  • Welche Inklusionspfade öffnen Affekträume für Frauen*, queere und migrantische Fans (Ahmed 2004; Cleland 2015)?

Literatur (APA 7, verlinkt)


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