KI als Katalysator für qualitative Skalierung
Ich führe seit 29.09.25 regelmäßige KI-Cheat-Checks durch.
Grounded Theory ist das methodische Fundament dieses Projekts. In einem datenreichen Feld wie Fußball bringt KI neue Möglichkeiten: Sie transkribiert, sortiert vor, clustert und analysiert semantisch. So wird qualitative Forschung im großen Stil möglich, der bisher den quantitativen Methoden vorbehalten schien.
Wichtige Prämisse:
KI ersetzt nicht die interpretative Arbeit, sondern erweitert sie. Muster sichtbar zu machen, ist Aufgabe der KI – Deutung bleibt bei den Forschenden. Wissen entsteht in der Ko-Produktion von Forschenden, erforschtem Feld und Technologie.
Drei zentrale Vorteile der KI
1. Datenvielfalt
KI kann sehr unterschiedliche Daten integrieren und interpolieren:
- Texte: Interviews, Fanzines, Social-Media-Posts
- Audio: Stadiongesänge, Podcasts
- Visuelles: Choreos, Memes
- Echtzeit: Tweets während Spielen
So lassen sich Affekte über Medienformate hinweg vergleichen – etwa Wut in Tweets vs. Wut in Choreografien.
2. Skalierbarkeit ohne Qualitätsverlust
- 10.000 Tweets zu einem VAR-Entscheid können auf Affektmuster durchsucht werden.
- 20 Jahre Fanzines lassen sich auf wiederkehrende Narrative prüfen.
Die qualitative Forscher-Haltung bleibt: KI macht Vorschläge, aber die Interpretation bleibt beim Forschungsteam.
3. Reflexivität durch Gegenlesart
KI ist ein methodischer Double-Check. Sie schlägt Clusterungen vor, die Forschende motivieren, vorab getroffene self-biased Kategorien zu hinterfragen.
- Beispiel: Ein Forumspost wie „VAR ist der Tod der Romantik“ könnte übersehen werden – KI filtert ihn heraus.
- Aber: Ironie, Fan-Slang und lokaler Humor werden von KI nicht immer richtig interpretiert.
Risiken des Einsatzes von KI
Der Einsatz von KI birgt auch Risiken: verzerrte Trainingsdaten, Black-Box-Logiken, Verlust von Nuancen.
Die Ergebnisse einen jeden Prompts müssen menschlich, gründlich überprüft werden nach:
- Halluzinationen (z.B. erfundene Zeitungsartikel oder wissenschaftliche Aufsätze)
- Unvollständigkeit in der Ausführung von Skripten (z.B. werden Vorgaben nicht vollständig erfüllt.)
Halluzinationen und Fehler lösche ich ab sofort nicht, sondern ich lasse sie durchgestrichen stehen und markiere sie als solche.
Methodische Innovation: Grounded Theory meets KI
Ich sehe aber bislang mehr Chancen als Risiken:
- KI ist mein Mittel gegen Prokrastination und Schreibblockade: Man gibt ein Thema vor und es entsteht ein erster Entwurf. Selbstverständlich muss dieser erste Entwurf überprüft und editiert werden.
- KI automatisiert standardisierbare Forschungsprozesse (z.B. Presseschau zum Spieltag / zu den den untersichten Vereinen.
- KI behält einen menschlich nicht zu schaffenden Überblick über Kodierungen, Achsen, Themen, Kategorien, Skriptversionen.
Transparenz
KI kann die empirisch-qualitative Sozialwissenschaft enorm voran bringen. Dabei gilt es, neue wissenschaftliche Qualitätsstandards zu entwickeln, die es noch nicht gibt. Ich selbst habe hier den Anspruch, maximal transparent zu arbeiten. Im Verlauf dieses Projektes werde ich daher die eingesetzten Prompts, Skripte, Agent:innen nach und nach offenlegen.
Fazit: Qualitative Soziologie 2.0
Die Verbindung von Grounded Theory und KI macht qualitative Forschung:
- tiefer (durch theoretische Schärfe),
- breiter (durch Datenvielfalt),
- reflexiver (durch algorithmische Gegenprüfung).
Ein zentrales Manko der qualitativen Sozialforschung war bislang ihre Begrenzung auf kleine Stichproben. Die enorme Komplexität qualitativer Daten – Interviews, Fanzines, Social-Media-Beiträge – machte umfassende Analysen kaum skalierbar. Mit KI ändert sich dies grundlegend: Nun können tausende Dokumente erschlossen und zugleich in der Tiefe interpretiert werden. Damit kann die qualitative Forschung nicht nur mit quantitativen Ansätzen gleichziehen, sondern sie in manchen Bereichen sogar überholen – denn sie bleibt nicht an oberflächlichen Variablen stehen, sondern dringt in die Bedeutungs- und Affektstrukturen der Daten ein. Während quantitative Methoden häufig auf den Blickwinkel der Forschenden beschränkt sind – sie fragen ab, was sie selbst sehen oder vermuten –, erlaubt die Kombination von KI und Grounded Theory, dass unerwartete Muster, Sprachbilder und Affekte aus den Daten selbst heraus entstehen. Genau darin liegt die Sternstunde qualitativer Forschung: Sie gewinnt an Reichweite, ohne ihre interpretative Tiefe zu verlieren.
Wer tiefer einsteigen will in meine Methode wird hier fündig.
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